Barrierefreie Websites – Was muss ich ab Juni 2025 wirklich beachten?!

2025 | 11 min Lesezeit

Barrierefreiheit ist dank dem anstehenden Barrierefreiheitsstärkungsgesetz so präsent wie nie. Aber für wen gelten die neuen Regelungen und falls sie gelten, was muss ich beachten? Was sind die Vorteile von digitaler Barrierefreiheit und wie sind die ersten Schritte? Mit diesem Beitrag bekommst du einen Überblick der Thematik.

Was bedeutet Barrierefreiheit?

Barrierefreiheit kann in vier Bereiche unterteilt werden:

Wahrnehmbarkeit
Deine Nutzer:innen können deine Elemente bestmöglich wahrnehmen.

- Klare Farbkontraste
- Größen und Abstände der Elemente
- Flexible Schriftgrößen
- Layout (Informationshierarchie & Platzierung)
- Klare Navigation und übersichtliche Strukturen
- Alternative Texte für Bilder und Nicht-Text-Inhalte
- Untertitel und Audiodeskriptionen für Medien

Verständlichkeit
Die Nutzer:innen verstehen, was jedes Element tut und wie sie es bedienen sollen.

- Klare und einfache Sprache, leichte Sprache bei Bedarf
- Vorhersehbare und einheitliche Navigation
- Einheitliche Benennung von Elementen
- Helfende Texte (Element, Label, Tooltips) und unterstützende Elemente (z. B. Icons, Text-Formatierungen bei Links)
- Visuelle Veränderungen der Element-Zustände
- Hilfestellungen und Fehlermeldungen müssen verständlich erklärt sein, nicht nur visuell durch Farbe
- Eingabehilfen für Formulare und interaktive Elemente

Bedienbarkeit
Die Elemente sind von jeder Person bedienbar.


- Alle Funktionen müssen ohne Maus nutzbar sein (Tastatursteuerung)
- Focus-State vorhanden
- Alternativen für Hover-Funktionen
- Klickbare Alternativen für Hand-/Touch-Gesten
- Genügend Zeit für Eingaben und Interaktionen
- Größen und Abstände zwischen Elementen ausreichend, vor allem bei Bedienung am Smartphone wichtig
- Vermeidung von Designelementen, die Anfälle auslösen könnten (z. B. flackernde Inhalte)
- Kompatibilität mit unterschiedlichen Geräten und Hilfstechnologien (z. B. Screenreader)

Robustheit
Das Design funktioniert auf allen Geräten, Browsern und Bildschirmgrößen.

- Responsive Design
- Natives HTML und strukturierter Code
- Generelle Funktionalität

[Q1]


Vorteile barrierefreier Websites

Barrierefreie, digitale Produkte bringen eine Vielzahl an Vorteilen mit sich. Wer sich durch die beiden wichtigsten Argumente für digitale Barrierefreiheit, der digitalen Teilhabe und der Chancengleichheit noch nicht überzeugen lässt. Hier sind ein paar weitere Gründe dafür, warum du unbedingt an digitale Barrierefreiheit denken solltest, auch wenn auf dich keine der gesetzlichen Regelungen zutreffen sollte.

- Verbesserung deiner SEO
Eine barrierefreie oder auch schon eine barrierearme Website erzeugt mehr Traffic! Denn Suchmaschinen wie Google bewerten barrierefreie Websites besser und ranken diese letztendlich bei der Anzeige der Suchergebnisse höher als Websites, die nicht barrierefrei sind. Dies konnte 2023 auch durch eine Studie von accessibilitychecker.org und Semrush belegt werden. Demnach stieg der durchschnittliche Traffic bei allen Teilnehmenden um 12% und bei 66,1% der Teilnehmenden konnte sogar eine Steigerung des monatlichen organischen Traffics von bis zu 50% festgestellt werden! [Q3]

- Zielgruppen erweitern
Mit barrierefreien Websites erweiterst du deine Zielgruppen. Denn das bedeutet mehr Menschen sind in der Lage, dein digitales Produkt problemfreier zu nutzen, was wiederum mehr Gewinn bedeuten kann.

- Deine Marke durch Vertrauen stärken
Barrierefreie Websites schaffen durch ihre bessere Benutzbarkeit Vertrauen und dadurch auch mehr Loyalität gegenüber deiner Marke.

- Neuen USP schaffen
Hebe dich von deiner Konkurrenz ab und zeige Engagement! Eine bessere Usability durch Barrierefreiheit kann dein Produkt nur stärken!

[Q2]

Mit einer barrierefreien Website schaffst du nicht nur für Menschen mit Behinderung eine bessere Nutzbarkeit deiner Website, sondern für alle. Einschränkungen können in vielen unterschiedlichen Kontexten im Alltag stattfinden, sie können permanent, temporär sowie situationsbedingt sein und haben einen Einfluss darauf, wie deine Inhalte konsumiert werden. Microsoft zeigt als Teil seines Inclusive Design Guides einige Beispiele für verschiedene Kontexte auf, die direkt die Nutzung eines digitalen Produkts beeinflussen. [Q4]

In der EU leben ca. 449 Millionen Menschen, davon gelten 101 Millionen Menschen (Stand: 2023) als behindert. In Deutschland gelten 7,9 Millionen Menschen (Stand: 2023) als schwerbehindert. [Q5]

Illustration zur Verdeutlichung verschiedener beispielhafter Arten von Behinderungen und Einschränkungen in den vier Kategorien Berühren (Touch), Sehen (See), Hören (Hear) und Sprechen (Speak), jeweils unterteilt in Permanent, Temporär und Situationsbedingt. Auflistung der Kategorien: 1. Berühren: Permanent: Ein Arm, Temporär: Armverletzung, Situationsbedingt: Frische Eltern; 2. Sehen: Permanent: Blind, Temporär: Grauer Star, Situationsbedingt: Abgelenkte/r Fahrer:in; 3. Hören: Permanent: Taub, Temporär: Ohr Infektion, Situationsbedingt: Barkeeper:in; 4. Sprechen: Permanent: Non verbal, Temporär: Kehlkopfentzündung, Situationsbedingt: Starker Akzent; Quelle ist „https://inclusive.microsoft.design/”.

Eine Website – Viele Möglichkeiten sie zu nutzen!

Digitale Produkte und Websites werden je nach Kontext und Person auch unterschiedlich genutzt! Das wirkt sich auf die Art und Weise auf, wie Inhalte konsumiert und bedient werden. Hier können zusätzliche Tools eine Rolle spielen, deren Nutzung durch Barrierefreiheit mit einbezogen und bei der Entwicklung antizipiert werden kann:

- Assistive Technologien
Dazu zählen beispielsweise Screenreader, die Inhalte auf der Tonspur wiedergeben.

- Individuelle Browsereinstellungen
Individuelle Einstellungen können beispielsweise die standardmäßige Anzeige der Textgröße, einer Sprache oder auch einer für dich gut lesbaren Schriftart sein.

- Sprachsteuerung
Mit Sprachsteuerungen wie zum Beispiel Siri auf dem iPhone ist eine Steuerung auf Audioebene möglich.

- Tastatur statt Cursor oder Touch
Bestimmte Tastenbefehle ermöglichen es barrierefreie Websites auch ganz ohne Cursor oder Touch-Gesten zu bedienen. Eine Standardeinstellung ist hier meist die Verwendung der Tab-Taste, mit welcher man von einem interaktiven Element zum nächsten springen kann, Enter zur Eingabe/Klick oder die Pfeiltasten um zu scrollen.

Viele der genannten Tools verbessern selbst bei technischen Problemen oder Defekten die Usability deiner Website oder deines Produkts, da es die Möglichkeit gibt sie ebenfalls anders zu bedienen als nur per üblichem Default.


Welche gesetzlichen Regelungen gibt es?

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)

Die neueste, rechtliche Regelung zum Thema Barrierefreiheit umfasst das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das ab dem 28. Juni 2025 in Kraft treten wird. Das Gesetz verpflichtet deutsche Privatunternehmen zur Barrierefreiheit von digitalen Produkten und Dienstleistungen, dazu gehören E-Commerce-Plattformen und Webshops, Bank- und Ticketautomaten sowie Mobilitätsdienste. Beispiele sind die Website und die Ticket-Automaten der Deutschen Bahn, aber auch Onlineshops wie beispielsweise Zalando. Dabei wird es Stand Februar 2025 keine Übergangsfrist geben.

Der Standard zur Umsetzung ist die Norm DIN EN 301 549, digitale Produkte müssen mindestens die Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines 2.1 erfüllen und je nach technischem Funktionsumfang auch Kriterien der BITV 2.0. Eine Liste aller Kriterien ist hier zu finden: BIK BITV-Test + WCAG 2.2 (Web). [Q6, Q7]

Woher weiß ich, ob ich mich an das BFSG halten muss?

Das BFSG richtet sich zwar an die Privatwirtschaft, schließt aber an dieser Stelle Kleinstunternehmen aus. Wie in dem folgenden Diagramm sichtbar, meint das Gesetz nur Unternehmen, die B2C Geschäfte betreiben und dabei zählt, ob ein Unternehmen mehr als 10 Mitarbeitende hat und über 2 Mio. Euro Umsatz jährlich macht. Nur wenn beide der Kriterien zutreffen, fällt ein Unternehmen unter die Kategorie der Kleinstunternehmen. Wenn auch nur eines der Kriterien zutrifft und dein Unternehmen einen Onlineshop oder eine Dienstleistung anbietet, die man online buchen kann, ist Handeln angesagt - Denn dann greift das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Bei Nichteinhaltung ist mit rechtlichen Konsequenzen, darunter sehr wahrscheinlich auch mit Geldstrafen zu rechnen. [Q8]

Wenn ein Unternehmen im B2C-Bereich tätig ist, folgt die Frage, ob mehr als 10 Mitarbeitende beschäftigt sind. Ist das nicht der Fall, wird geprüft, ob der Umsatz über 2 Millionen Euro liegt. Wenn beide Kriterien nicht zutreffen, gilt das Gesetz nicht. Trifft mindestens eines zu, wird weiter gefragt, ob ein Onlineshop besteht oder eine Dienstleistung angeboten wird, die online buchbar ist. Ist eine dieser Bedingungen erfüllt, gilt das BFSG. Andernfalls besteht keine Verpflichtung. Quelle: gehirngerecht.digital

Behindertengleichstellungsgestz (BGG)

Das Behindertengleichstellungsgesetz legt die Grundlage für die digitale Barrierefreiheit im öffentlichen Sektor. Es verpflichtet Bundesbehörden und öffentliche Einrichtungen dazu, ihre digitalen Angebote barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Ein zentraler Bestandteil ist das Recht auf barrierefreie Kommunikation, beispielsweise durch Inhalte in Leichter Sprache oder Gebärdensprache. Es wird überprüft in wiefern die Inhalte barrierefrei sind und darüber hinaus können Nutzer:innen über ein Verfahren Inhalte melden. [Q9, Q10]

Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0)

Basierend auf der EU-Richtlinie 2016/2102, legt die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung konkrete nationale Vorgaben für Barrierefreiheit innerhalb digitaler Anwendungen fest. Die technischen und gestalterischen Anforderungen für die digitale Barrierefreiheit der BITV orientieren sich stellenweise an den internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) nach dem 2.1 AA-Standard und wurden durch weitere nationale Standards und rechtliche Anforderungen ergänzt. Verpflichtet sind vor allem öffentliche Stellen wie Behörden, Schulen und Hochschulen, die ihre Websites, mobilen Anwendungen und Dokumente barrierefrei gestalten müssen. [Q11]

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)

Die WCAG sind der internationale Standard für digitale Barrierefreiheit und werden vom World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt. Sie bieten klare Richtlinien, um Websites, Apps und digitale Produkte barrierefrei zu gestalten und umzusetzen. [Q12] Die WCAG sind in drei Konformitätsstufen unterteilt – A, AA und AAA – wobei AA in vielen gesetzlichen Regelungen, darunter der BITV 2.0 und dem BFSG, als Mindeststandard gilt.


Was kann ich tun, um meine Website barrierefrei zu gestalten?

Eine Website oder ein digitales Produkt barrierefrei zu gestalten und umzusetzen, ist letztendlich eine Team-Aufgabe. Alle Parteien des Gestaltungs- und Entwicklungsprozesses müssen daran beteiligt sein.

Das Design-Team, das Barrierefreiheit von Anfang an in die Gestaltung, die Struktur und die Anordnung der Inhalte mitdenkt.

Das Entwicklungs-Team, das bereits beim technischen Aufsetzen des Projekt-Codes und die Code-Struktur korrekt anlegt und mögliche technische Stolperfallen antizipieren kann.

Das für Content Erstellung und Redaktion verantwortliche Team, kuratiert und verfasst barrierearme Inhalte und stellt Transkripte, Untertitel und Alternativtexte bereit.

Zusätzlich dazu gibt es im Idealfall auch eine Gruppe aus Tester:innen, deren Feedback für die Usability und die Barrierefreiheit gleichermaßen wichtig ist und unbedingt mit einbezogen werden sollte.

Barrierefreiheit ist ein gemeinsames Ziel ist, das nur durch enge Zusammenarbeit verschiedener Teams erreicht werden kann. Design, Entwicklung, Content und Testing sind dabei eng miteinander verbunden und aufeinander angewiesen. Der Erfolg liegt im Austausch und in der kontinuierlichen Abstimmung über Teamgrenzen hinweg.

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Quellen

[Q1] Gehirngerecht (2024), Die grundlegenden Designprinzipien hinter Barrierefreiheit, 'https://gehirngerecht.digital/die-grundlegenden-designprinzipien-hinter-barrierefreiheit/' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q2] Gehirngerecht (2024), Digitale Barrierefreiheit – Darauf kommt es bis 2025 an, 'https://gehirngerecht.digital/digitale-barrierefreiheit/' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q3] Gehirngerecht (2023), 5 Wege, um gleichzeitig die Barrierefreiheit und dein SEO zu verbessern, 'https://gehirngerecht.digital/barrierefreiheit-seo-verbessern/' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q4] Microsoft Inclusive Design, 'https://inclusive.microsoft.design/' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q5] Statistisches Bundesamt (2024), Pressemitteilung Nr. 281 vom 19. Juli 2024, 'https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/07/PD24_281_227.html' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q6] Gehirngerecht (2024), Die EN 301 549 – Das relevante Gesetz, 'https://gehirngerecht.digital/die-en-301-549-das-relevante-gesetz/' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q7] BIK BITV Test, BIK BITV-Test + WCAG 2.2 (Web)Prüfschritte, 'https://bitvtest.de/pruefverfahren/bitv-20-plus-web' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q8] Gehirngerecht (2023), Digitale Barrierefreiheit: Was du laut Anwalt jetzt wissen musst 'https://gehirngerecht.digital/digitale-barrierefreiheit-pflicht-wissen/' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q9] Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Behindertengleichstellungsgesetz 'https://www.behindertenbeauftragter.de/DE/AS/rechtliches/behindertengleichstellungsgesetz/behindertengleichstellungsgesetz-node.html' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q10] Steffen KJ. Zimmermann – Experte für Barrierefreiheit und Inklusion,'https://www.skjz.de/websites-oeffentlicher-stellen-muessen-ab-jetzt-oeffentlich-erklaeren-warum-sie-ggf-nicht-voll-barrierefrei-sind/' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q11] Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0), 'https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/gesetze-und-richtlinien/bitv2-0/bitv2-0-node.html' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

[Q12] Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, 'https://www.w3.org/TR/WCAG21/' (Zuletzt aufgerufen am 15.05.2025)

Schlagwörter: Barrierefreiheit, Accessibility, BFSG, Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, Websites

Marina Rost

UX Design | ZENTRALNORDEN

Als Strategische Gestalterin mit IoT-Background widmet sich Marina allen UX & UI Themen bei Zentralnorden, immer mit der richtigen Methode als Ass im Ärmel. Marina hat strategisch in vielen Bereichen ihre Finger im Spiel und das metaphorische Skalpell immer griffbereit. Je komplexer das Thema, desto besser.